Augusta
Augusta beobachtete die ziehenden Gänse und grübelte. Vor 6 Monaten war ihr Mann gestorben und seitdem lebte sie bei ihren Kindern, um ihren Lebensabend auf deren Hof zu verbringen. Sie half ihrem Sohn bei kleineren Aufgaben, die hielten sie bei Laune und gaben ihr die Illusion, wichtig zu sein. So fegte sie Laub, kümmerte sich um den Garten, kochte ab und an Essen. Heute hatte sie ein schnelles Pilzabendbrot zubereitet.
Als Kind der Ostsee, dort war sie aufgewachsen, erinnerte sie sich, wie sich um diese Zeit immer die Kraniche sammelten und über die Maisstoppelfelder herfielen. Mais liebten sie besonders. Da konnte einem schon Angst und Bange werden bei diesen Kranichmassen, man fühlte sie unweigerlich an Alfred Hitchcocks „Die Vögel“ erinnert.
Nachdem die Kraniche sich sattgefressen haben, fliegen sie in bestimmen Formationen zum Bodden, wo sie sich niederlassen und auf einem Bein stehend schlafen.
Ria, ihre Enkeltochter, rannte durch den Garten auf das Haus zu, sah den großen Laubhaufen, den Augusta zusammengefegt hatte und warf sich hinein, dabei lachte sie, nahm die Arme voll Laub und warf sie hoch. So war meine Arbeit vergeblich, dachte Augusta, aber insgeheim beneidete sie Ria um ihre Freude.
Wie lang ist es her, dass ich mich so unbändig freuen konnte? Vor 2 Jahren, als ich mit Heinz auf der Nehrung war und wir durch die Dünen spazierten. Als wir weit weit in dieser kleinen Sandwüste waren, ließen wir uns fallen und umarmten uns. Der Sand war in unseren Haaren, auf unserer Haut, in den Zähnen und in den Ohren. Wir pressten unsere Lauscher in den Sand.
Nach dem Abendbrot fegte Augusta das Laub zusammen. Im Dunkeln schlich sie sich erneut in den Garten und setzte sich in den Laubhaufen.