Weihnachten der Tiere
Habt ihr schon einmal erlebt, dass Kinder in der Vorweihnachtszeit oder zum Dreikönigstag durchs Dorf ziehen, an den Türen klopfen und dort ihre Lieder singen? Der Brauch, von dem ich euch heute erzähle, ist noch viel älter und ich kenne niemanden, der das noch erlebt hat. Und doch glaube ich, dass es in alten Zeiten so üblich war.
Man erzählt sich nämlich, dass die Menschen früher den Tieren im Wald zu Weihnachten nicht nur ein besonderes Mahl an ihren Futterkrippen bereitet haben, sondern dass sie auch in der Nacht vor Weihnachten aus den Dörfern auf die Felder zogen, um zu singen und so den Tieren die Weihnachtsbotschaft zu verkünden. Und wenn die Menschen so standen und sangen, dann kamen sie, die Rehe und Hirsche, die Füchse und Wildschweine und die Vögel. Sie alle wagten sich heran und lauschten den Tönen, die sie sonst nur aus weiter Ferne hörten.
In einem Jahr soll sich sogar ein kleines Rudel Wölfe herangetraut haben. Die anderen Tiere flohen und als die Menschen die Wölfe sahen, da liefen sie auch zurück ins Dorf. Nur einer blieb stehen und sang einfach weiter, als wäre nichts geschehen. Das war ein junger Mann, von dem es hieß, er habe vor nichts und niemandem Angst. Die Wölfe legten sich in seiner Nähe ab und eine ganze Weile hörten sie ihm zu. Dann stand einer von ihnen wieder auf, die anderen taten es ihm nach und so lautlos, wie sie gekommen waren, verschwanden sie wieder im Wald.
Der junge Mann aber wurde den Leuten danach ein wenig unheimlich und er soll das Dorf später verlassen haben. Den Brauch, für die Tiere des Waldes zu singen, gab es wohl noch einige Zeit. Nur heute ist das, soweit ich weiß, nirgendwo mehr üblich.